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9. Juni 2015

Blogreihe: Erklärtes Reiten #6

Dieses Mal möchte ich meine Blogreihe: Erklärtes Reiten nutzen, um mit einem Mythos aufzuräumen bzw. es zu versuchen: das Vorwärts / Abwärts.


Was ist Vorwärts / Abwärts
Beginnen wir erst mal mit der Begriffsklärung.  Unter Vorwärts / Abwärts versteht man die Dehnungshaltung von Hals und Rücken. Durch einen aufgewölbten, runden Rücken soll das Pferd locker und entspannt mit der Nase auf Höhe des Buggelenkes gehen und mit der Hinterhand weit untertreten. Dadurch soll die Rückenmuskulatur aufgebaut und gestärkt werden. Soviel zumindest zur Theorie.
Kritiker, Physiotherapeuten und andere Experten äußern sich jedoch skeptisch gegenüber diesem Trend. Mittlerweile konnte nachgewiesen werden, dass der Rückenmuskel, der den Menschen scheinbar trägt, gar kein tragender Muskel sondern vielmehr ein Bewegungsmuskel ist. Das wiederum bedeutet, dass man den Rückenmuskel nicht unbedingt stärken muss, um ein Pferd schonend zu arbeiten. Genauso wie bei Sportlern sollte auch bei Pferden ein Muskel erst nach dem Erwärmen gedehnt werden, da sonst Verletzungen von Überdehnungen bis hin zu Muskelfaserrissen die Folge wären. Ein korrektes Vorwärts / Abwärts macht also erst nach einer guten Erwärmung Sinn.

Wie sieht so ein korrektes Vorwärts / Abwärts aus?
Ein korrektes v/a hat folgende Merkmale: das Pferd läuft mit leicht gebeugtem nach vorn gestrecktem Hals mit dem Kopf auf Höhe des Buggelenkes. Die Nase sollte den vordersten Punkt bilden. Zu beachten ist auch die Statur des Pferdes. Ein lang gewachsenes Warmblut hat einen anderen Körperbau als ein Spanier, der doch deutlich kompakter gebaut ist. Entsprechend sieht die Dehnungshaltung unterschiedlich aus. Um Kraft auf der Hinterhand aufzunehmen, benötigt es eine angespannte Bauchmuskulatur, welche wiederum den gewünscht gewölbten Rücken ermöglicht.
Schwingt der Rücken korrekt nach oben, dann wirkt das Vorwärts / Abwärts kraftvoll, dynamisch und schwungvoll.
Hört man beim Reiten die Hufeisen klappern, ist das ein klares Zeichen, dass das Pferd vorhandlastig läuft. Es fußt mit der Vorderhand langsamer ab, weshalb die Hinterhand einfußen kann. Ein vorhandlastiges Pferd kann nicht schonend v/a geritten werden. Hier sollte man vermehrt Last auf der Hinterhand aufnehmen und dann wieder versuchen, die korrekte Dehnungshaltung zu erreiten.
Das folgende Bild zeigt sehr gut, wie die Muskulatur in einem korrekten v/a arbeiten sollte. Ein langer Rücken mit einer untertretenden Hinterhand dehnt die gesamte Rückenmuskulatur.


Was bringt diese Dehnungshaltung?
Dem Reiter bringt es ein gutes Gefühl im Sattel. Erst mit einem korrekt erwärmten und gedehnten Pferd sollte man anspruchsvollere Lektionen reiten. Durch das Vorwärts / Abwärts wird die Losgelassenheit des Pferdes gefördert, die wiederum weitere Lektionen ermöglicht. Viele Pferde entspannen in der Vorwärts / Abwärts Haltung, weshalb sie sich auch zum Abschluss des Trainings eignet, um die Reitstunde locker ausklingen zu lassen. Somit kann man mit einem korrekten v/a die Durchlässigkeit und Losgelassenheit eines Pferdes jederzeit abfragen und prüfen, ob das Pferd für den nächsten Schritt im Training bereit ist.

Wie kann ich Vorwärts / Abwärts üben?
Am Einfachsten fällt es Pferd und Reiter in einem flotten, aber taktreinen Arbeitstrab im Leichtsitzen die korrekte Dehnungshaltung zu erreichen. Ist das Pferd verunsichert, beginnt man mit kürzeren Zügeln und lässt sie ein Stück länger, sobald man merkt, dass das Pferd an das Gebiss herantritt. Gibt man die Zügel nun nach und das Pferd streckt sich weiter an das Gebiss heran, kann man in dieser Haltung groß angelegte Bahnfiguren wie Zirkel, Schlangenlinien oder Wechsel durch die ganze Bahn reiten. Wichtig ist hier, wirklich große Linien zu reiten, um den Schwung nicht zu unterbrechen. Ebenfalls wichtig ist eine stete Anlehnung, die Zügel dürfen nicht durchhängen. Geht die Anlehnung verloren, nimmt man die Zügel auf und beginnt erneut mit dem Aufbau der Dehnungshaltung. Gelingt dies über mehrere Runden, kann man auch in den Galopp wechseln. Hier ist ebenfalls ein flottes, taktreines aber ruhiges Grundtempo zu empfehlen.
Da ein korrekt gerittenes Vorwärts / Abwärts den Pferden sehr viel Kraft abverlangt, sind regelmäßige Pausen sehr wichtig. Um das Pferd nicht zu überanstrengen, sollte man nicht zu viel am Stück im Vorwärts / Abwärts reiten.
Als Richtwert reite ich meist einige Runden in Dehnungshaltung im Trab und Galopp auf jeder Hand. Klappt das gut, beginne ich andere Übungen. Eine Minutenangabe kann man hier nicht geben. Der eine sagt, mindestens eine halbe Stunde, ein anderer sagt, niemals mehr als 20 Minuten. Da sollte man ein Gefühl entwickeln, wie es dem Pferd geht. Ist es locker und dynamisch, sollte man aufhören, solange man dieses Gefühl hat. Es macht keinen Sinn, ein Pferd zu lange in Dehnungshaltung zu reiten und dann eine Überanstrengung zu provozieren. Lieber eine Schrittpause mehr einbauen, als ein verkrampftes Pferd wieder locker reiten zu müssen.

Wer sich unsicher ist, ob die Dehnungshaltung korrekt geritten ist, sollte sich einen Reitlehrer oder eine Person suchen, die Tipps und Hilfestellungen geben kann. Ohne Kontrolle kann ein vermeintliches Vorwärts / Abwärts große Schäden anrichten. Weitere Infos zum Vorwärts / Abwärts findet ihr auf www.equimondi.de.

Liebe Grüße,
eure Steffi.

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