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18. August 2015

EM Aachen 2015: Alles Dressur oder was?


Dressur
Was war das denn für ein turbulentes Wochenende? Da bin ich nichtsahnend abwesend ohne soziale Medien, Fernsehen, Internet-Livestreams & Co und da passiert sooo viel? Wahnsinn... 

Ich versuche mal, meine Gedanken zu sammeln. Fangen wir beim Sorgenkind Nr. 1 an: Totilas. Einlieferung in eine Tierklinik. Das hatte ich ja noch mitbekommen. Und war auch irgendwie klar. Was wollten die Besitzer, Verantwortlichen und alle anderen auch machen, nachdem der erste und einzige Auftritt bei dieser EM so miserabel endete? Da dachte man erst noch, die Richter hätten Pflaumen auf den Augen und hat sich eigentlich von den doch auch guten Bewertungen blenden lassen und sah nicht, dass dort ein Pferd im Viereck unterwegs war, was mehrfach Taktunreinheiten in der Hinterhand zeigte. Beim zweiten Schauen fielen mir diese auch auf - und das will schon was heißen. ;) Nein, Spaß bei Seite, denn hier hat er nichts verloren. Wirklich schlimm sind da folgende Fakten: 
Die Richter sehen die Taktunreinheiten (oder auch nicht) und lassen das Pferd weiterhin laufen und die Prüfung beenden. Warum? Auf jedem ländlichen oder auch größeren Turnier wäre das Paar abgeklingelt wurden. Ist doch eine Taktunreinheit meist die Vorstufe eine Lahmheit und somit Schmerzen für das Tier. Aber es ist ja der Totilas, da kann man das durchgehen lassen. Kann man? Anscheinend.
Nächster Fauxpas (?): man hört durch, dass es wohl bereits beim Vet-Check Diskrepanzen zwischen Tierärzten und zu begutachtenden Richtern gab? Ob das stimmt sei mal dahin gestellt. Wenn dem so ist, frage ich mich, warum man dort überhaupt Tierärzte einsetzt, wenn sie in ihrer Meinung übergangen werden und die Stimme des Richters überwiegt. Da kann man sich die Mediziner ja sparen. 
Aber es geht noch weiter. Für die Dressur sind ja bekanntlich drei Prüfungen angesetzt: Grand Prix (Mannschaftswertung), der Special sowie die Kür. Doch bei Totilas war man angeblich eh nur von maximal zwei Wertungen ausgegangen. Die Kür hat kaum jemanden vom Trainerstab interessiert. Da muss ich mich doch ernsthaft fragen, warum man ein Pferd für eine Mannschaft nominiert, obwohl man weiß, dass es keine drei Wettbewerbe durchhält. So eiskalt kalkulieren muss man erstmal. Es zählte anscheinend nur das Mannschaftsergebnis, wo man mit einer Benotung jenseits der 80 % gerechnet hatte... Hmmm, wie schade, dass so mancher Richter da doch nicht ganz so viele Pflaumen sah und die Taktunreinheiten und andere Kleinigkeiten entsprechend abwertete. Für mich ist sowas ein absolutes No Go. Durch solche Entscheidungen wurden gute Reiter-Pferde-Paare um ihre Teilnahme an der EM gebracht. Ob überhaupt jemand der Obrigkeiten Interesse an den Einzelmedaillen hatte? Oder hat einzig und allein das nicht verteidigte Mannschafts-Gold gezählt? Wie ärgerlich, dass die Rechnung doch nicht aufgegangen ist. Nein, mir tun einzig die Beteiligten leid, die drei Mädels, die vom vermeintlichen Ruhm und Rummel um Totilas erdrückt wurden und trotz guter Leistungen "nur" mit Bronze belohnt wurden. Da zeigt sich nun einmal wieder, was Geld und Macht alles erreichen kann. Auch wenn es sich diesmal doch nicht ausgezahlt hat. Man munkelt vom Karriereende des schwarzen Wunderhengstes... ein Knochenödem im Hinterhuf ist Schuld daran, doch was am Ende draus wird, müssen die Besitzer und Geldgeber nun entscheiden. Ob sie diesmal den richtigen, für das Pferd besten Weg wählen? Wir können gespannt sein.

Aber nicht nur im deutschen Lager gab es Aufreger... der zweite große Aufschrei an diesem Wochenende galt dem schon mehrfach in der Kritik stehenden Vorreiter des Totilas (der ihm zu dem gemacht hatte, was er vor seinem Stall- und Besitzerwechsel wurde) - Edward Gal. Er wurde in der Kür abgeklingelt. Der Grund dafür war ein Regelverstoß - sein Pferd Glock's Undercover hatte sich sichtlich nervös, spannig und hibbelig auf die Zunge gebissen. Durch das sichtbar werdende Blut (durch die Schaumbildung im Maul) wurde er letztendlich vom Richter aufgefordert, die Prüfung abzubrechen und erhielt eine Disqualifikation. Das Wohl des Pferdes geht vor. Tut es das wirklich? Nach diesem unansehnlichen Augenblick im Viereck wurden viele Stimmen laut, es kamen Fotos und sogar Videos zum Vorschein die eben jenes Paar tags zuvor auf einem abgelegenen Trainingsplatz zeigten. Die zeigten, wie groß anscheinend die Auslegung einer Regel ist. Die Regel, dass man diese angeblich nicht schädigende Hyperflexion, wie die Rollkur (oder auch Low-Deep-Round - zwar soll dies etwas besser und schonender für das Pferd sein, hat aber am Ende den selben Zweck: das Pferd wird zusammengepfercht durch die Reiterhand) auch heißt, nicht länger als 10 Minuten praktizieren soll und darf. Gal hielt sich an dieses zeitliche Limit scheinbar. Nach gut 10 Minuten engstem LDP-Reiten gönnte er seinem Undercover eine Verschnaufpause im Schritt, doch danach ging es von vorn los. Zügel kurz, Beine ran, Maul auf die Brust gedrückt und gib ihm. Mit fairem Reitsport hat sowas wenig zu tun. Und Undercover hat das einzig richtige getan, indem er im Viereck einmal nicht die Nerven behalten hat, sondern sich in seiner ganzen Nervosität dem Publikum präsentiert hat. Vielleicht helfen diese Bilder dem Umdenken im Dressursport.

Was gab es sonst noch? Eine Anna Kasprzak, die lieber doch ins Krankenhaus ging, anstatt ins Viereck zu reiten. Vorausgegangen war wohl ein Tritt ihres Pferdes Donnperignon, den sie im Brustbereich erlitt. Auch wenn das bereits vor Tagen zum Vet-Check passierte, hat sie nun doch die medizinische Versorgung gewählt. Warten wir ab, was da rauskommt.

Nach all diesen doch negativen Geschichten gab es aber auch Positives zu vermelden. Tolle Runden der deutschen Debütanten Jessica von Bredow-Werndl und Unee BB, schön anzusehenden, lockeren, entspannten Dressursport der Ladies ganz vorn - Dujardin, Bröring-Sprehe, Ferrer-Salat. Auch Isabell Werth konnte gut abliefern, auch wenn sie sich im Special kurz verritt. Sie konnte danach drüber lachen, was will man also mehr. Passiert ist es ja eh. 

Bleibt nur noch abzuwarten, wie die Dressurszene auf diese gebündelten Fehlschläge reagiert. Handlungsbedarf ist allemal da. Bis 2016 (Olympische Spiele in Rio de Janeiro) muss viel überlegt und geändert werden. Es müssen die schönen Momente überwiegen. Dass etwas negatives passiert, lässt sich bei solche emotionsgeladenen Lebewesen nicht vermeiden, jedoch dürfen alle Faktoren zusammen nicht so ein schlechtes Bild über diesen Sport werfen. Dass er durchaus schön sein kann, haben die Medaillengewinner und alle anderen eindrucksvoll gezeigt. Es gibt sie noch: die Harmonie zwischen Pferd und Reiter. Auch im Profisport, auch bei einer EM, auch in Aaachen.

Einen interessanten Artikel zu diesen Themen findet ihr hier: Welt
Und wieder tolle Fotos sind hier zu finden: St. Georg

Ab Mittwoch sind dann die Springreiter an der Reihe. Mal schauen, ob sie es besser machen oder ob da genauso viel Redebedarf herrscht. 


Liebe Grüße,
eure Steffi.

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