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27. November 2014

Kontroverse: Pferdehaltung

Momentan ist es wieder in aller Munde, da die wechselnden Jahreszeiten inklusive Wetterumschwung dafür sorgen, dass sich Mensch und Tier an andere Gegebenheiten anpassen müssen. In vielen Ställen sind die Weideflächen seit November geschlossen oder nur noch begrenzt nutzbar. Als Ausgleich stehen nun Winterplätze oder Paddocks zur Verfügung. Die Nächte verbringen die Pferde oftmals im Stall. 

Ich habe mir mal so meine Gedanken zu diesem Thema gemacht und werde mal meinen Senf zu den verschiedenen Punkten abgeben. Dabei soll es allgemein um die verschiedenen Möglichkeiten der Pferdehaltung und im speziellen um Besonderheiten im Winter gehen. 


Geschlossene Wiesen: 
Viele Reitanlagen stellen ihren Einstellern in den Sommermonaten große Weideflächen zur Verfügung. Doch oftmals endet die Weidesaison im Oktober oder November, sobald das Wetter umschwingt und Sonne und schönes Wetter durch Regen und Dunkelheit ersetzt werden. 
Ich kann es grundsätzlich nachvollziehen, wenn Stallbesitzer die Weiden schließen. Solange im Sommer genügend Nährstoffe zur Regeneration der Weideflächen vorrätig sind, ist das Rausstellen der Pferde kein Problem. In den Wintermonaten sieht das jedoch anders aus. Wenn dem Boden keine Nährstoffe mehr entnommen werden können, ist das Gras weniger schmackhaft und verliert an Qualität. Wird der Boden zusätzlich nass und matschig, wird viel mehr durch die Hufe zertreten anstatt dem Futterbedarf zu dienen. Da Pferdehufe deutliche Schäden an der Grasnarbe hinterlassen, haben Stallbesitzer eine zeitlich festgelegte Weidezeit eingeführt. Das rechtzeitige Schließen der Weidefläche gewährleistet also, dass im nächsten Frühjahr bei schönem Wetter der Weidegang wieder zeitig freigegeben werden kann. 

Winterweiden:
Um dennoch Auslaufmöglichkeiten zu bieten, teilen Stallbesitzer große Weideflächen in kleineren Parzellen ab. Meist handelt es sich hierbei um Abschnitte von Koppeln, die im Sommer nicht primär genutzt werden oder einzig für den Winter gedacht sind, da eine Regeneration der Fläche nach einer Winternutzung entsprechend länger dauert.
Hier taucht jedoch ein weiteres Problem auf: die Bodenbeschaffenheit bei Schnee und Frost. Neben den Strapazen für die Grasnarbe besteht auch ein nicht unerhebliches Verletzungsrisiko, wenn die Pferde bei spontanen Freudensprüngen oder Sprints ausrutschen und fallen. Als Stallbesitzer möchte man das Verletzungsrisiko für seine Einsteller so gering wie möglich halten. Stehen auch im Winter Weideflächen zur Verfügung, sollte man sein Pferd eventuell vorab in der Halle auslaufen lassen oder sie wenn möglich täglich für ein paar Stunden rausstellen, um den plötzlichen Bewegungsdrang etwas zu dämpfen.

Paddocks:
Eine Alternative bieten auf vielen Anlagen sogenannte (Winter)Paddocks. Sie sind entweder direkt von der Box oder extern zu erreichen. Die Paddocks sind oft mit Gummimatten oder Sand ausgelegt, um eine konstante Bodenbeschaffenheit zu gewährleisten und je nach Größe für einzelne Pferde oder Gruppen geeignet. Hier können Pferde die frische Luft nach Belieben genießen, während gleichzeitig das Verletzungsrisiko verringert wird. 

Was ist artgerecht im Winter? 
Grundsätzlich ändert sich an der Pferdehaltung im Laufe des Jahres nichts. Pferde sind sehr genügsame Tiere, die durch ihre körperlichen Voraussetzungen von Natur aus perfekt ausgestattet sind. Hier spielen Begriffe wie die oft genannte „Thermoregulation“ eine große Rolle. Durch ihr dickes Winterfell benötigen sie keine Decken. Lediglich ein Unterstand ist zu empfehlen, um Wind und Wetter auch einmal aus dem Weg gehen zu können.
Soviel zur Theorie. In der Praxis sieht das bekanntlich alles ganz anders aus. Pferde stehen nicht immer ganztägig auf Weiden (siehe Punkt 1). Auch werden Pferde heutzutage ganz anders gearbeitet, teilweise bekommen sie mehrmals am Tag auf verschiedene Art Bewegung (Führanlage, Longieren, Reitstunde, Ausritte). Ihr Fell wird in solchen Fällen häufig geschoren, damit den Pferden die Arbeit erleichtert wird. Pferde mit dickem Winterfell schwitzen mehr als mit gekürztem Fell (ein interessanter Vergleich: ähnlich würde es Joggern gehen, wenn sie mit Winterjacke, Mütze und Schal in einer warmen Halle laufen müssten). Die Gefahr einer Erkältung oder schlimmeres ist höher, je mehr Fell sie mit sich rumtragen und dieses bei Beanspruchung nass wird. Nach dem Reiten ist daher eine Abschwitzdecke empfehlenswert. Diese transportiert den Schweiß nach außen und lässt das Fell unter der Decke behutsam trocknen, während das Pferd angenehm warm gehalten wird. 
Ein verbreiteter Irrglaube ist, dass man geschorene Pferde nicht auf die Koppel stellen kann. Ist dies gewünscht oder geplant, so sollte man sein Pferd eventuell nicht komplett scheren, sondern eine Rallye- oder Hunterschur bevorzugen. Anschließend können die Pferde mit einer dünnen wind- und wasserfesten Decke bedenkenlos den Winter genießen. Übermäßiges Eindecken mit dicker Füllung führt eher zum Gegenteil, Pferde werden empfindlich und erfordern mehr Aufwand als man eigentlich bezwecken wollte. 

Was ist an Offen- und Aktivställen anders?
Eine neue Variante der artgerechten Pferdehaltung stellen Aktivställe dar. Sie bieten den Tieren enorme Auslaufmöglichkeiten und zwingen sie mehr oder weniger, ständig in Bewegung zu bleiben. Dies wird durch weitläufige Bereiche erreicht, wo die Pferde abwechselnd Heu, Wasser und Lecksteine finden können. Dabei sind die Wasserplätze bei den meisten Aktivställen am weitesten vom Rest entfernt. So wird eine annähernd natürliche Umgebung geschaffen, die man entfernt mit Pferden in freier Wildbahn vergleichen könnte. 
Mit einem Offenstall ist das Leben eines Pferdes außerhalb der Box gemeint. Dank der gut entwickelten Technik heutzutage gibt es Anlagen, wo die Pferde eine auf sie speziell abgestimmte Menge an Rau- und Kraftfutter bekommen. Dies geschieht über Chip-Halsbänder. Pferden mit Gewichtsproblemen oder rangniedrigen Pferden kommt diese Haltungsform sehr entgegen, sobald sie den Umgang mit dieser Fütterungsform erlernt haben.
Ein großer Nachteil an diesen Stallvarianten: nicht jede Anlage bietet einen Offen- oder Aktivstall, da der Bau ein sehr hohes Budget, viel Planungs- und Organisationstalent und vor allem ein großes Gelände mit weitläufigen Flächen voraussetzt. Außerdem ist es fraglich, ob der komplette Trakt von Aktiv- oder Offenstall ganzjährig nutzbar bleibt oder das Pferd eine Umstellung zu erwarten hat. 

Heu ad libitum? 
Im Gegensatz zum Kraftfutter steht auf vielen Anlagen das Raufutter (Heu oder Silage) ad libitum (lat., „nach Gutdünken, nach Belieben“) zur Verfügung. Die Pferde können 24 Stunden am Tag an der Heuraufe Raufutter zu sich nehmen. Zu diesem Thema kursierte neulich eine interessante Diskussion im Internet, wo sich manche Pferdebesitzer die Frage stellten, ob es sinnvoll wäre, allen Pferden die gleiche Menge zur Verfügung zu stellen oder das Raufutter ähnlich dem Kraftfutter zu portionieren. Auch wurden Möglichkeiten zum „langsamen“ Fressen erörtert. Enge Maschen über der Heuraufe sollten etwa der langsameren Futteraufnahme dienen. Erfahrungen zeigten, dass es einigen Pferden gut bekam, wenn sie Heu ohne Grenze fressen könnten. Anderen wiederum sah man es buchstäblich an, dass sie unbegrenzt Futter zur Verfügung hatten. So kam zur Sprache, dass manche Pferde das vorhandene Futter nahezu verschlingen würden anstatt über den Tag verteilt in Ruhe zu fressen. 
So einfach ist die Entscheidung also nicht, dass man sein Pferd von 2 oder 3 mal täglich eine Portion Raufutter auf Heu ohne Grenzen umstellt. Es gehört eine ordentliche Planung und Eingewöhnung dazu. Dies ist besonders dann zu beachten, wenn im Stall wetterbedingt die Haltungsform geändert wird (von Trail - Aktivstall auf Paddock o. ä.). Jede Umstellung bedeutet für das Pferd und seinen Organismus eine Veränderung, die von Stress bis hin zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen kann. 

Kommen wir zur Ausgangsfrage zurück und fassen einmal kurz zusammen:
Im Winter sind die Bedingungen in den Stallanlagen unter Umständen anders als im Sommer. Die Möglichkeiten, dem Vierbeiner dennoch genügend Auslauf zu bieten sind vielfältig, doch wollen vorab geplant werden. Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist das Tageslicht. Bringt man die Pferde im Hellen erst auf die Koppel oder den Paddock und holt sie vor Nachteinbruch wieder herein? So etwas will geplant werden, denn Schule, Studium, Arbeit und Familie gibt es ja meist auch noch. Den Pferden macht die Umstellung von Sommer auf Winter weniger aus als uns Menschen. Auch sind sie weit weniger kälteempfindlich als man vielleicht denkt. Es ist dennoch zu planen, ob dem Pferd auch im Winter der Koppelgang erlaubt werden kann (sofern möglich) um dann eine Schur des Winterfells darauf abzustimmen. Wichtig sind auch Überlegungen bezüglich sich ändernder Fütterungsabläufe. Steht den Pferden im Aktivstall Heu ad libitum zur Verfügung oder werden die Futterrationen per Chip an ein ausgeklügeltes Futtersystem übertragen? Stehen diese Möglichkeiten auch im Winter zur Verfügung oder muss man eine Umstellung im Winter einplanen? Wenn es um die Futteraufnahme geht, sind Pferde weit mehr empfindlicher, weshalb sich jeder Besitzer vorab Gedanken machen sollte, was er seinem Pferd bieten kann bzw. was der Stall zu bieten hat. Nur so kann dem Vierbeiner ein einigermaßen konstanter Tagesablauf gewährleistet werden. 

Auch wenn man  im Winter nur einen Paddock oder einen kleinen Auslauf für Pferde zur Verfügung hat, so ist dies in jedem Fall besser als eine konsequente 24 Stunden Stallhaltung. Dass man manchmal aufgrund eines engen Zeitmanagements nicht alles möglich machen kann, wird jeder verstehen (besonders in kleinen Ställen oder Privathaltung ein Problem). Jedoch sollte man dem Pferd seinen Auslauf zumindest an 3 bis 4 Tagen in der Woche ermöglichen. Ein entspannter Ausritt ins Gelände oder ein lockerer Spaziergang sind da schon ein Anfang. Und wenn das Pferd mal einen Tag komplett im Stall steht oder mal nur für eine Reitstunde raus kommt, wird es uns das auch verzeihen. Es soll schließlich auch Pferde geben, die den Stall an einem stürmischen, verregneten Herbsttag der Koppel vorziehen würden. Da geht's wohl den Menschen wie den Leuten, wie man so schön sagt. ;-)
Ich kann dazu nur sagen, dass man nicht alles so eng sehen sollte und auch mal das eine oder andere Auge zudrücken kann. Nicht jeder hat den ganzen Tag Zeit für die Stallarbeit und Beschäftigung des Pferdes. Arbeit und Familie dürfen nicht hinten an stehen, nur weil es Winter wird. Der eine oder andere Ruhetag in einer ausreichend belüfteten und ordentlich gemisteten Box hat noch keinem Pferd geschadet und ruft mit Sicherheit auch nicht sofort den Tierschutz auf den Plan. 


Liebe Grüße,
eure

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