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1. September 2014

Totilas - ein Medienphänomen oder doch nur ein einfaches Pferd?!

Die FEI Alltech World Equestrian Games 2014 (Weltreiterspiele) haben begonnen und mich zu diesem Post animiert. Gerade hat die deutsche Dressurequipe ihr Mannschaftsgold gewonnen, doch eigentlich war das ja ganz anders geplant...

Totilas unter Edward Gal
Ich gebe es zu, am Anfang seiner "deutschen" Karriere fand ich Totilas wirklich super. Der eine oder andere kannte ihn bereits unter dem Niederländer Edward Gal, der ihn in den großen Dressursport gebracht hatte und damals bereits sah, dass es sich hier um ein unglaublich talentiertes, junges Pferd handelte. Dann wurde er nach Deutschland verkauft und es gab einen Riesentrubel um den lackschwarzen Hengst mit dem hübschen Gesicht. Ich fand ihn damals wirklich imposant, wie er seine Beine warf und mit einer anmutenden Gestalt daherkam, dass man fast von Magie sprechen konnte. 
Damals kamen erste Diskussionen auf, als bekannt wurde, für wie viel Geld Totilas den Stall gewechselt hatte. In Fussballerkreisen sind zweistellige Millionenbeträge ja was ganz normales, aber in der kleinen Dressurwelt war es etwas Einzigartiges. Entsprechend groß wurde das Medieninteresse und auch ich erfuhr viel durch die Tages- und Klatschpresse. Das Wunderpferd wurde er genannt. Das Wunderpferd, dass nicht auf die Koppel darf. Okay, dachte ich mir damals. Ein junger Hengst, im Deckeinsatz, geschätzte 10 Mio Euro wert. Da überlegt man schon zweimal, ob man ihn auf eine große, saftige Wiese zum Austoben lässt oder doch eher die ungefährlichere Variante mit dem am Strick Grasen lassen wählt. Damals konnte ich es verstehen, aber das ist vier Jahre her. 
Bald folgten erste Misserfolge von Totilas und seinem neuen Reiter. Unstimmigkeiten, kleine Wehwehchen und auch die gewünschten Titel und Siege blieben irgendwie aus. Die Luft wurde dünner, erste Kritik kam auf. Das Pferd wäre zu sehr in den Himmel gelobt wurden, man hatte sich von der enormen Kaufsumme blenden lassen. Er wäre einfach eine zu große Persönlichkeit, der man Raum und Zeit zum Eingewöhnen lassen müsste. In diesem Zusammenhang gab Ludger Beerbaum - professioneller und hoch erfolgreicher Springreiter - seine Meinung zu Totilas zum Besten. Er brachte es schlichtweg auf den Punkt.
 "[...] Man hätte die ganze Sache anders angehen müssen. Ich hätte so ein Pferd vielleicht auch gekauft oder kaufen lassen. [...] Aber dann hätte ich den Ball flach gehalten und nicht mit irgendwelchen PR-Nummern aufgewartet. [...] Ich hätte gewartet, bis ich meine Piaffen und Passagen hinbekomme, und dann hätte ich vielleicht mal über das Drucken von Totilas-Shirts nachgedacht.“ 
In dieser Aussage steckt meiner Meinung nach sehr viel Wahrheit. Nicht zuletzt durch das enorme Medieninteresse, was natürlich auch zusätzlich von den Verantwortlichen im Totilas-Team gepusht wurde, stand der Hengst zunehmend im Mittelpunkt. Und versagte. Ein neuer Trainer kam. Doch die Kritik wuchs weiter. Man wandte die "Rollkur" an, eine sehr umstrittene Trainingsmethode, jedoch redete man sich damit raus, dass Totilas das Training schon kennen würde, da es in Holland, wo er aufgewachsen war, Gang und Gäbe sei. Es dauerte nicht lang und ein erster denkwürdiger Schritt wurde gemacht: die Tierschutzorganisation PETA reichte eine Klage gegen die Besitzer wegen Tierquälerei ein. Rollkur sei keine Methode ein Pferd artgerecht zu trainieren. Ebenfalls würde der fehlende Weidegang keine artgerechte Haltung des Tieres darstellen. Das Verfahren wurde schlussendlich eingestellt, ein Gutachten konnte belegen, dass Totilas durch die Rollkur keine bleibenden Schäden davongetragen hätte - bisher. 
Was zurück blieb war der fade Beigeschmack. Totilas verschwand gänzlich von der Bildfläche. Erst erkrankte sein Reiter kurz vor den Olympischen Spielen 2012 in London, so dass die Teilnahme unmöglich wurde, dann verletzte sich der Hengst beim Deckeinsatz. 2 Jahre dauerte es, bis sich beide Mitte diesen Jahres wieder zeigten. Auf einem kleinen Turnier in Holland. Doch was man sah, war wenig beeindruckend. Ich war sprachlos. Ein gebrochenes Pferd. Unzufrieden, eingeengt, fast traurig dreinschauend. Wenn man Totilas vor einigen Jahren sah, konnte man Leben, Freude und Energie erkennen. Jetzt scheint es nur noch gezwungen. Wie ein Clown, der nur lächelt, weil es sein Job ist. 
Ich für meinen Teil maße mir nicht an, wie man ein solches Pferd zu reiten hat. Dazu fehlt mir die Erfahrung und auch das Talent. Dennoch bin ich der Meinung, dass Pferd und Reiter nicht zueinander passen. Die Chemie scheint nicht zu stimmen. Die Leichtigkeit ist verschwunden, von Ausstrahlung kann keine Rede mehr sein. Sicherlich ist er nach wie vor ein talentiertes, imposantes Pferd, doch er hat seinen Glanz verloren. Es ist zwar eine Verbesserung zu den letzten Auftritten vor der Zwangspause zu erkennen, doch Leichtigkeit sieht anders aus. 
Sehr deutlich wird es, wenn man sich die Power-Amazonen der Dressurszene einmal anschaut. Ohne Frage - eine Frau sieht nun mal viel zierlicher auf einem Pferd aus als ein Mann. Dennoch können auch Männer leicht und einfühlsam wirken. Eine Charlotte Dujardin mit ihrem Valegro oder Helen Langehanenberg mit Damon Hill. Das sind zwei Toppaare, die einfach zeigen, wo es langgeht. Und die zeigen, wie man trotz harmonischer Beziehung zu seinem Pferd Topleistungen bringen kann. Lockere Pferde mit Kopf vor der Senkrechten und durchhängendem Kandarenzügel. Da denkt man sich doch automatisch: Geht doch! Ja, es geht. Und diese Pferde dürfen auch Pferd bleiben. 
Ich erinnere mich immer wieder gerne an Uta Gräf, die letzte Wintersaison einen Beitrag gedreht hatte, in dem es um das Reiten & die Haltung von Pferden in den kalten Monaten ging. Ihre Pferde stehen immer draußen, selbst bei Schnee, solange es der Boden zulässt. Auch andere Topreiter wie Ingrid Klimke und Meredith Michaels-Beerbaum posten häufig Fotos von gelassenen Spitzenpferden, die sich genüsslich auf der Koppel wälzen oder grasen. Zwar fühlen sich dann meist wieder die gerngesehenen V-A-K's angesprochen, wenn ein solches Pferd mit Gamaschen oder Bandagen auf dem saftigen Grün gesichtet wird, aber ohne sie und ihre sinnfreien Kommentare wäre das Leben ja auch zu langweilig. ;-)
Was ich damit sagen will: es geht auch anders. Man kann Spitzensport betreiben, ohne dass man einem Pferd seiner natürlichen Bedürfnisse beraubt. Es macht doch viel mehr Spaß, ein ausgeglichenes und glückliches Pferd unter'm Sattel zu haben, als eins, was nicht weiß, wo es mit seiner angestauten Energie hin soll. Vielleicht hätte man Totilas in seiner "Regenerationsphase" einfach mal auf eine Sommerkoppel stellen sollen. Wobei, ich weiß ja eigentlich gar nicht, ob er nicht sogar dort gestanden hat. Wer kann sowas schon sagen? Die Besitzer und das Team dahinter, aber die haben aus ihren Fehlern gelernt und halten sich an das Sprichwort: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. 
Fakt ist: Totilas ist nach seinem Comeback zwar wieder ein gefeierter Medienstar. Und auch bei den Richtern gern gesehen. Doch für mich sind diese Bewertungen nicht gerechtfertigt. Er geht nicht taktrein - soweit man das aus den Aufnahmen aus Fernsehen und Internet beurteilen konnte. Und wie ein lockeres, zufriedenes Pferd geht, können wir ja momentan in Caen (FRA) bei den WEG sehr gut beobachten.
Liebe Grüße,
eure Steffi.

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