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5. September 2014

Der Blick hinter die Kulissen: zu Hause auf den großen Reitturnieren dieser Welt

Jedes Jahr finden unzählige Reitturniere auf den Plätzen dieser Welt statt.         
Viele nutzen den Abreiteplatz und bewegen ihre Pferde nicht nur zum Aufwärmen vor der jeweiligen Prüfung, sondern reiten das eine oder andere Pferd auch schon mal in "zivil".
Da muss man schon zweimal hinschauen, wenn Christian Ahlmann in grauer Reithose mit T-Shirt an einem vorbei reitet. Hervorgerufen durch kontroverse Diskussionen wie zum Thema Rollkur ist das Interesse an der täglichen Arbeit dieser Profireiter ungebrochen. Bieten sie einem doch durch dieses öffentliche Reiten die Chance, einmal hinter die Kulissen zu schauen. Ich für meinen Teil konnte so schon den einen oder anderen Trick mitnehmen. So ist es bei vielen Reitern Gang und Gäbe, dass ihre Pferde lange Schritt geritten werden. Lang bedeutet hier nicht 15 Minuten sondern meist mindestens 30 Minuten oder noch länger locker am langen Zügel. Man muss bedenken, dass die Turnierpferde mitunter von Mittwoch an auf dem Turniergelände untergebracht werden. Dort gibt es selten die Möglichkeit, ihnen eine Koppel zur Verfügung zu stellen. Daher brauchen sie mehrmals am Tag den "Auslauf", sei es auch "nur" unterm Reiter. So ersetzt eine Stunde Schritt gehen dann eben auch mal die Arbeit in der Führanlage. Dass manche Pferde auch zu Hause keine Koppel sehen, ist mir bewusst, steht hier aber nicht zur Debatte. Dazu kann ich gern in einem anderen Post noch mal Platz für Diskussionen schaffen. Ansonsten kann man beobachten, dass die Pferde alle gründlich aufgewärmt und vorbereitet werden. Kaum einer reitet sein Pferd nur 10 Minuten ab und startet dann in eine S***-Prüfung. Für mich sagt eine sorgfältige Vorbereitung, dass alle Reiter großen Wert auf locker gehende Pferde mit gut aufgewärmten Muskeln legen. Klar könnte man jetzt wieder sagen, dass die Pferde ja als Sportgerät das Kapital eines Reiters darstellen. Dazu werde ich mich nicht äußern. Jedoch kann ich aus meiner Erfahrung heraus sagen, dass mir zum Beispiel in Hamburg einige Reiter aufgefallen sind, die ihre Pferde wirklich lieben und dies auch öffentlich zeigen. Ein Reiter (oh ja, ein Mann!) ist einmal von seinem Pferd abgestiegen, hat es zärtlich am Hals gestreichelt und es dann auf selben geküsst. Diese Gesten waren definitiv nicht gestellt sondern kamen aus reinstem Herzen und das fand ich sehr beeindruckend. Zumal es ein Mann war. Von einer Frau erwartet man das ja eher, aber ein Mann? Respekt. Auch wenn es eine seltene Geste bleiben sollte, es gibt sie und das gibt doch Hoffnung auf eine faire Behandlung der Pferde. 
Den Pferdepflegern kommt auch eine große Aufgabe zu, denn sie sind diejenigen, die mittwochs mit den Pferden anreisen und diese 24 Stunden lang behüten und pflegen. Es sollte unumstritten sein, dass hier eine enge Beziehung zwischen Pferd und Pfleger besteht. Der Pfleger kennt seinen Schützling schließlich in und auswendig und weiß jede Macke und auch jede Auffälligkeit zu deuten. Nicht umsonst gibt es in Hamburg im Laufe des Turniers eine Auszeichnung für den besten „Groom“ (Pferdepfleger), der dem Reiter die Pferde am besten gepflegt und vorbereitet zur Verfügung gehört. Dazu gehört zum Beispiel sauberes und einwandfreies Sattel- und Zaumzeug, eingeflochtene oder zumindest gepflegte Mähne und Schweif sowie ein ordentliches Gesamterscheinungsbild. Ich finde die Auszeichnung gerechtfertigt, denn jeder Reiter weiß, was er an seinem Pfleger hat und so wird ihnen auch von offizieller Seite der nötige Tribut gezollt.

Eine charmante Neuerung in den Regeln der FN (Reiterliche Vereinigung) stellt die Kontrolle der Abreiteplätze durch Richter dar. So sollte zu jeder Zeit ein Richter am Abreiteplatz zur Verfügung stehen. Dieser hat die Aufgabe, eventuelle Fehler oder Mängel an Pferd, Reiter, Ausrüstung und Reitweise abzustellen bzw. darauf hinzuweisen. Gesehen hatte ich einen dieser besagten Richter erstmals in Leipzig zur Partner Pferd. Dort stand er unscheinbar am Rand und beobachtete das Treiben. Als ein Pferd zu lange in enger Halshaltung geritten wurde, kam der Richter aus dem Hintergrund auf den Platz, ging zum Reiter und wies ihn freundlich aber bestimmt darauf hin, dass es nun Zeit wäre, dem Pferd wieder etwas Freiraum zu bieten. Gelesen habe ich aber auch schon von Vorfällen, wo dies trotz wiederholtem Auffordern nicht geschehen ist und der Reiter schlussendlich des Platzes verwiesen wurde. In Hamburg war gleiches Bild wieder zu beobachten. Ein Richter hält sich solange im Hintergrund, bis ihm ein Reiter auffällt, der sein Pferd sehr lang maßregelt. Es war ungehorsam, aus welchem Grund auch immer und wurde dann entsprechend härter angefasst. Dies war wohl für den Richter kurze Zeit in Ordnung, jedoch nicht über diesen langen Zeitraum. Er näherte sich dem Reiter, wies ihn auf sein Fehlverhalten, wenn man es so nennen mag hin und ging wieder zu seinem Stuhl.
Ebenso gesehen habe ich einen Richter, der einen Reiter aus der Amateur-Gruppe darauf hinwies, dass das Reithalfte zu eng verschnall war. Dies wurde vom Pfleger umgehend geändert, sonst hätte der Reiter nicht weiterreiten dürfen. 
Ich finde die Änderung gut und befürworte sie voll und ganz. Ob sich nun grundsätzlich etwas daran ändert, dass Pferde in Zukunft wieder nach der klassischen Reitweise ausgebildet und gearbeitet werden, weiß ich nicht. Jedoch ist es schon mal ein Anfang, dass sich die beorderten Richter auch dazu aufraffen und den unbequemen Weg gehen, indem sie die Reiter öffentlich ansprechen. Vielleicht kann die Reitsportszene so zum Umdenken animiert werden?! Es wäre zu wünschen. Beispiele wie die oben erzählte „Liebeserklärung“ an sein Pferd sind ja schon mal vorhanden. Die Entwicklung geht also in die richtige Richtung, dass Pferde – sofern dies nicht bereits der Fall sein sollte – nicht mehr wie so oft als Sportgerät betitelt werden sondern man sie wieder als Partner und Freund ansieht. 
Ich werde weiterhin die Abreiteplätze suchen und mich dort umschauen nach neuesten Modetrends, neuer Ausrüstung und neuen Pferden. ;-)



Liebe Grüße, 
eure Steffi.

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