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15. Oktober 2015

Aachen oder Hamburg - Soers oder Derbywall?!

Nachdem die EM in Aachen nun hinter uns liegt, möchte ich gern einen Beitrag über zwei sehr kontroverse und unterschiedliche Turnierstätten in Deutschland schreiben. Ich habe mir mal so meine Gedanken gemacht, was die Soers in Aachen hat, was das Hamburger Derby nicht bieten kann. Und anders rum. 

Beginnen wir mit dem mir Unbekannten: Aachen und seine Soers
Rundumblick in die Aachener Soers
Aachen ist eine Stadt in Nordrhein Westfalen in direkter Nähe zur niederländischen Grenze. Mit der Soers hat Aachen eines der größten (fasst ca. 50.000 Zuschauer), wohl aber das spektakulärste Reitstadion weltweit. Der riesig anmutende heilige Rasen verfügt über eine exzellente Qualität, der jedes Jahr aufs Neue die Topgrößen des Reitsports zum CHIO anlockt. Neben dem Springreitern kommen auch die Kutschfahrer sowie die Dressurreiter auf ihre Kosten. Der Veranstalter (Aachen-Laurensberger Rennverein ALRV) hat bereits 2006 die Ausrichtung der Weltreiterspiele nach Aachen holen können und auch dieses Jahr fand neben dem CHIO ein pferdesportliches Großereignis in der Soers statt - die Europameisterschaften 2015.
Doch was macht die Soers zu dem, was sie nun einmal ist? Ist es die einzigartige Atmosphäre, die Aachen mit sich bringt? Sich einmal im Leben auf den Tafeln der Sieger am Einritt in das Springstadion verewigen zu können? Ist es der riesige Platz an sich und die ebenfalls unendlich anmutenden Plätze, Stallungen, Ausstellungsflächen und was sonst noch zum Gelände dazu gehört? Die weitläufigen Wege machen wohl aus so manchem Beteiligten oder Helfer einen halben Marathonläufer wenn man sich die Ausmaße mal anschaut. Allein der Innenraum des Springstadions misst unglaubliche 120 m x 150 m. Damit ist es mit seiner Gesamtfläche fast doppelt so groß wie ein Fussballfeld. Daneben gibt es ein neu gebautes Dressurstadion (Deutsche Bank Stadion) sowie eine Halle für Voltigierwettbewerbe. Dazu gibt es zahlreiche Stallungen, in denen die Pferde untergebracht werden. Typisch für Aachen ist hierbei die nationale Aufteilung. In den riesigen fest angelegten Stalltrakten finden die Nationen jedes Jahr ihren angestammten Platz. Wie bei der EM schön anzusehen war, schmücken die einzelnen Länder ihre Stallungen dabei in den entsprechenden Landesfarben. 
Das Weltfest des Pferdesports - so heißt das alljährliche Turnier, der CHIO in Aachen. Hochkarätige Starterfelder sind keine Seltenheit. Wer die Möglichkeit hat, in Aachen zu starten, tut dies auch. Typisch eingerahmt werden die sportlichen Wettkämpfe von individuell Jahr für Jahr neu erarbeiteten Feierlichkeiten zur Eröffnung sowie dem wohl bekanntesten Abschluss eines Reitturniers - dem Abschied der Nationen. Viele Reiter lassen es sich nicht nehmen, an dieser Abschlussrunde durch die große Soers teilzunehmen. Oftmals auf fremden Pferden, wenn die eigenen doch nicht so hartgesotten sind. Denn ein Abschied der Nationen ist schon etwas ganz besonderes. Das gesamte Publikum winkt zum Abschied mit weißen Taschentüchern, im Takt zur erklingenden Musik. Das ist keine Veranstaltung für jedes Pferd. 
Aachen steht für Emotionen. Für tollen Reitsport. Für erfolgreiche Reiter und für Newcomer. Wer in Aachen glänzen kann, der hat einen wichtigen Punkt in seiner Karriere erreicht. Denn wie auch im Hamburg ist nicht jedes Pferd für Aachen geeignet. Sei es diese bemerkenswert große Kulisse, seien es die anspruchsvollen Kurse oder die unglaubliche Atmosphäre. All das macht die Aachener Soers zu etwas ganz besonderem. 

Hamburg - meine Perle und das Hamburger Derby.
Deutsches Spring- und Dressurderby
Die norddeutsche Hafenstadt ist schon etwas ganz besonderes. Dieser Flair, den sie versprüht ist für mich bisher einzigartig. Ich komme nach Hamburg und fühle mich heimisch. Würde ich jemals meine Heimat verlassen müssen, wüsstet ihr nun, wo ihr mich wiederfinden würdet. Sicher würde ich dann viel vermissen, jedoch wäre es für mich auch sofort wie ein neues zu Hause. Erklären kann ich es mit Worten nur schwer. Es ist halt so. Es ist tief in meinem Herzen. Ein Teil davon.
Da verwundert es wohl nur wenig, dass ich auch das Hamburger Spring- und Dressurderby als festen Bestandteil in mein Herz geschlossen habe. Vielleicht lag das auch an der eher untypischen Situation, dass ich den Derbypark zum ersten Mal mit Krücken bzw. im Rollstuhl erkundet habe. Seit vier Jahren bin ich jedes Mal an Himmelfahrt in der Hansestadt und genieße die vier Tage voller Freiheit, Ungezwungenheit, Glückseligkeit. Dort, wo ich sein möchte - bei den Pferden. An diesen Tagen brauche ich kein Meer, keinen Strand, kein Hotel. Ich atme Pferdeluft, laufe durch Reitshop-Stände und genieße die Köstlichkeiten rund um Gegrilltes, Fischbrötchen und Crêpes... Ich fühle mich frei und es gibt mir Entspannung und Ruhe. 
Das Derby hat so ziemlich alles zu bieten, was man sich als Pferdesport-Fan nur wünschen kann.
Es ist ein Riesenereignis in der Hansestadt, ein höchst emotionales Ereignis und eines, das man rund um den Globus kennt. Zum Derby herrscht wieder „sportlicher Ausnahmezustand“ in Klein Flottbek, dann begegnen Pferdesportfans den besten Reitern und Pferden der Welt.
Das Deutsche Spring- und Dressur-Derby in Hamburg, präsentiert von J. J. Darboven, ist die „Mutter aller Derbys“ im Springsport. Wenn über 80 000 reitsportbegeisterte Menschen in den Derby-Park strömen ist das Deutsche Spring-Derby, das 2016 seine 87. Auflage seit 1920 feiert, der Hauptanziehungspunkt.
Am Samstag ist der Grand Prix of Hamburg presented by H&M die hochdotierte und einzige deutsche Station der Longines Global Champions Tour — Spannung und Spektakel auf allerhöchstem sportlichen Niveau. Mit dem Mercedes-Benz Championat und zwei schweren Derby-Qualifikationen warten am Donnerstag und Freitag weitere anspruchsvolle Prüfungen.
Der anspruchsvolle Pferdewechsel ist das Kennzeichen des Deutschen Dressur-Derbys und entfaltet pure Faszination im Dressurviereck. Vor dieser Kulisse zu reiten erfordert viel Konzentration und reiterliche Qualität. Quelle: Engarde
Diese Worte kann ich nur bestätigen. Einmal das Feeling live erleben, wenn 20 000 Besucher so gebannt sind, dass man förmlich die Stecknadel fallen hören könnte. Der Derbyparcours ist zwar jedes Jahr der gleiche Kurs, jedoch gibt es ebenfalls jedes Jahr neue Überraschungen. Seien es Pferde, die zwar noch blutjung und unerfahren ihre ersten Erfahrungen im Derbypark sammeln oder vermeintliche alte Hasen, die auf ein mal den Wall nicht runter wollen. Langweilig wird es nie. Und auch, wenn es jahrelang böse Zungen gab, die behaupteten, es wäre ein gefährlicher Parcours für Mensch und Pferd... welcher Parcours ist das nicht? Die Veranstalter tun ihr Bestes, Jahr für Jahr Optimierungen voranzutreiben, die Hindernisse und damit die Prüfungen sicherer zu machen. Und das macht sich bezahlt. Es ist toller, fairer und auch irgendwo einzigartiger Sport zu sehen. 

Doch was ist mit Aachen? Als eingefleischter Hamburg-Fan(atiker)? Gern würde ich mir einmal die Aachener Soers "in echt" angucken. Einmal am Einritt vorbei laufen. Einmal durch die vielen Verkaufsstände schlendern, das Feeling kennen lernen. Doch fest steht für mich: an Hamburg wird es wohl eher nicht rankommen. Was mir Aachen nicht bieten kann: einen lockeren Hamburger Humor, die etwas anderen Naturhindernisse des Derbyparcours und vor allem der Besucherwall. Wo kann ich ein komplettes Turnierwochenende für weniger als 50 EUR auf einer toll angelegten Wiese verbringen, wo es keine festgelegten Sitzreihen oder -plätze gibt? Dieses Ungezwungene ist es, was mich am Hamburger Spring- und Dressurderby fasziniert. Ich kenne jeden (für Normalos zugänglichen) Winkel wie meine Westentasche. Und ich liebe es. Ich liebe die Natur, die auf dem gesamten Gelände in das Gesamtgebilde eingepasst wurde. Ich liebe die jedes Jahr gleichen Aussteller und auch die neu dazukommenden. Ich liebe die Möglichkeit, an einem herrlich zentral gelegenen Abreiteplatz stundenlang zu stehen und den Reitern dieser Welt beim Reiten zu gucken zu können. Aachen hat es schwer, aber ich gebe ihm dennoch eine Chance... eines Tages...

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